Wiblingen
Kurze Geschichte der ehemaligen vorderösterreichischen Benediktinerabtei in Schwaben
Leinen, 296 Seiten, 17,5 x 24,5 cm, 70 Abbildungen, 2 Klapptafeln
ISBN 978-3-87437-250-3
Januar 2001
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Wiblingen, vor den Toren der Reichsstadt Ulm, als Benediktinerkloster 1093 von Hartmann und Otto, Grafen von Kirchberg, gestiftet, zählte wie Ochsenhausen und Weingarten zu den Abteien der Schwäbischen Benediktinerkongregation. Bereits im 15. Jahrhundert ein Vorort der Melker Reform und Vorbild für schwächere Klöster, gehörte der Konvent dann vor dem Dreißigjährigen Krieg zu den Stützen der neu gegründeten Benediktineruniversität Salzburg. Im 18. Jahrhundert wurde die mittelalterliche Anlage mit Basilika durch einen "regulären" Klosterneubau ersetzt. Der Bibliotheksaal, 1750 vollendet, ist einer der schönsten Festräume des deutschen Rokoko. Die Wiblinger Kirche von Johann Georg Specht, 1778-1781 von Januarius Zick ausgestattet, gilt als eindrucksvoller Höhepunkt süddeutscher Sakralarchitektur am Ende des 18. Jahrhunderts. Als Württemberg das bis 1806 vorderösterreichische Kloster säkularisierte, wies Kaiser Franz den Mönchen - ohne Erfolgsaussichten - das polnische Kloster Tiniez bei Krakau zu.
In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts wurden im Südwesten Deutschlands zahlreiche neue Klöster gegründet. Im Jahre 1093 stifteten die Illergauer Grafen Hartmann und Otto von Kirchberg zur Bewahrung ihrer kostbaren Hl.-Kreuz-Reliquie ein Benediktinerkloster, das von Mönchen aus St. Blasien aufgebaut wurde. Im September 1099 konnte Bischof Gebhard von Konstanz das neue Kloster feierlich einweihen. Für die jährliche Zahlung von einem byzantinischen Golddukaten nahm der Hl. Stuhl das Stift Wiblingen unter seinen Schutz und garantierte damit die freie Wahl des Abtes sowie den ungeschmälerten Genuß der Stiftungsgüter gegenüber weltlichen und geistlichen Potentaten - auch dem Diözesanbischof. Das bedeutende und einträgliche Vogteiamt, die Vertretung des Klosters in weltlichen Angelegenheiten, blieb lange Zeit mit der Stifterfamilie verbunden. Die nach Brand 1271 wiederaufgebaute spätromanische Klosterkirche, eine dreischiffige Säulenbasilika, bestand bis 1781. Kluge Erwerbspolitik schuf die wirtschaftliche Voraussetzung für eine kulturelle Blüte: Überlieferte Handschriften setzen für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts ein Skriptorium voraus, und 1353 ist eine Klosterschule erstmals urkundlich belegt.
Die Krise, die das Ordensleben zu Beginn des 15. Jahrhunderts erfaßte, machte auch vor Wiblingen nicht halt. Persönlicher Besitz durch Aufteilung des Klostergutes untergrub die Disziplin und gefährdete auch ökonomisch die Existenz der Gemeinschaft. Doch gelang es Abt Ulrich Halblitzel (reg. 1432 bis 1473), gegen großen Widerstand aus dem Konvent die vom Kloster Melk ausgehende Rückbesinnung auf die Regel des Hl. Benedikt durchzusetzen und Wiblingen in eine zweite, vom Humanismus beeinflußte kulturelle Hochphase zu fuhren. Acht Mitglieder des Konvents wurden zu Äbten anderer Klöster berufen. Gegen Reformation, Bauernkrieg und Schmalkaldischen Krieg konnte sich das Kloster behaupten - auch gegenüber der benachbarten Reichsstadt Ulm, die 1530 dem reformatorischen Lager beigetreten war.
Schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts spielte der Konvent innerhalb der schwäbischen Benediktinerkongregation wieder eine hervorragende Rolle: Wiblinger Mönche visitierten andere Klöster und lehrten an der 1617 in Salzburg gegründeten Benediktineruniversität. Der Dreißgigjährige Krieg brachte das Kloster an den Rand des Ruins. Der Umstand, daß der schwedische General Joachim Wiclaff 1633 von Wiblingen Besitz ergriffen hatte und daß Abt Benedikt Rauh 1641 Feldgeistlicher der bayerischen Armee geworden war, wirkte sich für den Fortbestand des Konvents vorteilhaft aus. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entwickelte sich Wiblingen zu einem Zentrum barocker Frömmigkeit. Die Wiederauffindung der einst vor den Schweden verborgenen Kreuzreliquie brachte der Wallfahrt neuen Aufschwung; die Einholung römischer Katakombenheiliger und die Errichtung einer Maria-Einsiedeln-Kapelle 1681 taten ein Übriges.
Nach dem Ende des Spanischen Erbfolgekrieges konnte der Neubau der Klosteranlage in Angriff genommen werden, der in dem 1750 vollendeten Bibliotheksaal - einem der schönsten Räume des Rokoko - seinen ersten Höhepunkt erreichte. Den Innenausbau der neuen Klosterkirche, die nach Plänen von Johann Georg Specht in nur fünfjähriger Bauzeit aufgeführt worden war, übernahm 1778 der kurtrierische Hofmaler Januarius Zick. So entstand bis 1781 im frühklassizistischen Stil einer der bedeutendsten Sakralbauten Süddeutschlands. Das Kloster blieb 1802 von der Säkularisation verschont, da es seit 1701 zu Vorderösterreich gehörte. Nach dem Sieg Napoleons über Kaiser Franz im Jahre 1805 stritten sich Baden, Württemberg und Bayern, Verbündete des Korsen, um das Kloster. Wiblingen fiel durch die Pariser Konvention 1806 definitiv an Württemberg. Unwiederbringliche Kulturgüter gingen bei der Aufhebung und hastigen Ausräumung des Klosters verloren, dessen Gebäude zunächst als Schloß und Verwaltungssitz, dann als Kaserne dienten.
Das Werk des Wiblinger Mönchs Michael Braig OSB OSB (1774-1832), 1834 posthum in geringer Auflage erschienen, ist bis heute die einzige umfassende Darstellung der Geschichte des Klosters Wiblingen nach 1800 geblieben. Bedeutende Urkunden zur frühen Klostergeschichte sind in deutscher Übersetzung enthalten. Die dramatische Zeit von 1795 bis zur Aufhebung des Klosters Wiblingen 1806 schildert P. Michael Braig OSB als Opfer der Säkularisation aus eigenem Erleben. Damit hat sein Werk selbst den Charakter einer historischen Quelle angenommen.