An einem historisch prägnanten Ort wurde die Buchpräsentation zu "Gartendenkmale in Berlin - Siedlungsgrün" am Erscheinungstag gefeiert. Am Vormittag waren über die ganze Stadt Führungen auf dem Programm, am Nachmittag haben spannende Vorträge Lust auf den Buchinhalt gemacht...
Publikation
Der 61. Band der Reihe 'Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin' legt den Fokus auf das "Siedlungsgrün".
Es ist eine aktuelle Bestandsaufnahme von knapp 100 bestehenden Gartendenkmalen die aus verschiedenen Epochen kommen:
- Gründerzeit
- Weimarer Republik
- Nachkriegszeit
- Moderne
- Postmoderne
Diese vom Landesdenkmalamt herausgegebene Publikation, die in unserem Konrad Verlag erscheint, wartet mit sachkundigem Wissen zum Fundament der Berliner Wohnqualität und Gestaltungsvielfalt auf.
19 Autoren, allesamt Landschaftplaner und Architekten haben in jedem Berliner Bezirk wichtige, prägnante oder interessante Gartendenkmale ausgewählt und beschrieben.
Bereichert werden die Beiträge mit aktuellen Aufnahmen, historischen Plänen und Einzelansichten bestimmter Gestaltungselemente.
Jeder der knapp 100 historischen Denkmalschätze wird auf einer bis drei Seiten beschrieben, so dass man sich einen breiten Überblick über die grüne Stadtentwicklung Berlins verschafft.
Der 61. Band aus der Reihe 'Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin' ist für Liebhaber der Geschichte, der Berliner Geschichte im Besonderen wie auch für Architekten und Landschaftsplaner ein Muß.
Schöne Aussicht vom Veranstaltungsort, © Anton H. Konrad Verlag
Buchpräsentation
Führungen in verschiedenen Bezirken wurden am Vormittag veranstaltet. Nachmittags um 16:00 versammelten sich über 50 Gäste im historischen Nicolai-Haus unweit des Berliner Schlosses.
Von links: Makrina Rose, Marlene Lieback, Wolfgang Bittner, Angela Mitschke, Christoph Konrad, Anke Werner, Leonie Glabau, Benjamin Goodwin, Katrin Lesser, Jonathan Bratz, Gesine Sturm, Antonius Legge, Dietmar Land, Donka Dimitrova, Brit Münkewarf, © Landesdenkmalamt Berlin, Foto: Anne Herdin
Wir waren schon vorher da und haben fleissig aufgebaut:
Über das rege Interesse haben wir uns sehr gefreut.
Dr. Leonie Glabau begrüßte die Gäste und hob die einzelnen Aspekte des "Siedlungsgrüns" hervor:
- es verbindet Räume
- stellt zusätzlichen Wohnraum zur Verfügung
- bietet soziale Interaktionen
- heisst Respekt für Bewohner
- verbessert Gesundheit durch Luftqualität und Sonne
Unter ihrer Federführung konnte das Buch trotz einiger Hürden realisiert werden.
Es folgten Vorträge zu den einzelnen Epochen, in welchen die Gärten entstanden sind, die nun zu den Gartendenkmalen gehören.
Veranstaltungssaal bei der Eröffnung, © Landesdenkmalamt Berlin, Foto: Anne Herdin
Vorträge zur Gartengeschichte
Die Vorträge waren so spannend, dass wir sie hier mit Ihnen in Kurzform teilen möchten. Ihre Inhalte sind in der einen oder anderen Form in den Texten im Buch enthalten:
Gartenhöfe der Gründerzeit
von Dr. Anke Werner: Die neuen Bewohner von Berlin, die im Zuge des industriellen Aufschwungs gekommen waren, benötigten Wohnraum. Die mehrstöckigen Gebäude waren zwar mit Innenhöfen angelegt, unterlagen zunächst aber wenig bis keinen Reglements.
Ob Nutzhof oder Lustgarten, hing maßgeblich auch von den Eigentümern ab. Wurde im Innenhof ein Betrieb ansässig, musste er zumeist Energie für seine Produktion gewinnen. Neben Lautstärke wurde Verbrennung und Feinstaub produziert. Das Lüften und häufig wenig Sonneneintrahlung zusammen mit der Überbelegung der Räume verschlechterte die Luftzirkulation und -qualität. Die Innenhöfe waren stark frequentiert, der Feuerwehrwagen konnte häufig nicht richtig manövrieren.
Die Stadtverantwortlichen nahmen sich der Problematik an, die in den Arbeitervierteln herrschte und gossen die erste Bauordnung zu Innehöfen um 1830 in Form. Später mussten die Betriebe in der nächsten Fassung von 1897/98 verboten werden.
Mindestgrößen wurden hier festgelegt.
Siedlungsgrün in der Weimarer Republik
von Dr. Martin Baumann: Aufgrund der Erfahrungen mit gesundheitlich katastrophalen Zuständen in der Stadt gewannen Neuererungen eine besondere Bedeutung. Bessere Belüftung und Besonnung gewannen immer mehr an Priorität und gartenwirtschaftliche Konzepte wurden 1918 verankert. Auch dies diente zur Überwindung von Krisen und Lebensmittelknappheit.
Nun trat auch die Gesunderhaltung durch Sport und Bewegung ins Bewußtsein und es profitierten konkret auch Kinder von den neuen Gestaltungsansätzen.
Insgesamt sollte die Gartenbepflanzung auch die Architektur unterstreichen, der Wohnraum sollte funktional ergänzt werden.
Nachkriegszeit bis Postmoderne
von Dipl.-Ing. Bern Krüger: Die zerbombten Siedlungsgebäude lenkten die Entwicklung der Stadtplanungen hin zu einem Konzept der 'Stadt im Grünen'. Hier sollte ein größeres Gebäude von Garten- und Parkparzellen umgeben sein, Spazierwege sollten als Verbindungselemente zu nächsten Gebäuden dienen.
Auch die Anordnung von Gebäuden in einer kommunikativen Struktur sollten die Bewohner zur offenen Kommunikation anregen, wie beispielsweise im Studentendorf Berlin Schlachtensee, das bis heute genutzt wird.
Freilich sind diese und folgende Konzepte nicht nur in Berlin zu finden, sie sind eingebettet in die allgemeine Zeitgeschichte.
Ab den 1970er Jahren rücken Kinderbedürfnisse mehr in den Fokus. Abwechslung und Spielmöglichkeiten sollen die Wohnqualität noch weiter verbessern. Die bis heute gebauten Netzpyramiden oder auch Kletternetze wurden 1971 vom Architekt Conrad Roland ins Leben geholt. Als 'Spielraumnetze' sollten sie die Freude und Geschicklichkeit der Kinder fördern. Sie sind heute in verschiedenen, dem Alter entsprechenden Größen, zu bewundern.
Zehn Jahre später wurde das Nachahmen von Fluß- und Bachlandschaften in die Siedlungsplanung verstärkt integriert.
Gemeinschaft durch Siedlungsgrün
von Architektin Katrin Lesser: Das Gartendenkmal-Siedlungsgrün bietet Interaktion an. Durch das gemeinsame Arbeiten bsp an den aneinander grenzenden Vorgärten können Bewohner miteinander in Kontakt kommen. Auch bei der Pflege der Anlagen, der Aufenthalt darin bringt ein soziales Miteinander, Freundschaften entstehen. Hieraus entwickeln sich dann auch Nachbarschaftsfeste, die Identität und Zusammenhalt stärken. Der Austausch über die Instandhaltung trägt zur besseren Expertise bei.
Beim Empfang und mit guten Gesprächen - die Verlags- und Buchpräsentation, © Landesdenkmalamt Berlin, Foto: Anne Herdin
Barockes Nicolai-Haus
Das Haus der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, in dem die schöne Buchpräsentation stattfand, hat eine lange Geschichte. Es ist eines der wenigen erhaltenen Barockhäuser in Berlin. Ein Ort der Aufklärung, als der Schriftsteller und Verleger Friedrich Nicolai dort sowohl Produktionsstätten unterhielt als auch wohnte.
Rosettendekoration am Eingangstor, © Anton H. Konrad Verlag
Das Gebäude selbst wurde nach einem Brand 1650 erneuert, teils etwas umgestaltet. Zu den Vorbesitzern gehörten Ärzte, ein Bürgermeister, hochrangige Militärs und Minister. Nicolai erwarb es 1787 und lebte und arbeitete dort bis 1811.
Er war in Europa weit bekannt, publizierte regelmäßig selbst auch in der "Berlinischen Monatsschrift" und der "Allgemeinen Deutschen Bibliothek" und befürwortete die konstitionelle Verfassung.
Das Nicolaihaus in der Brüderstraße, © Anton H. Konrad Verlag
Sein Haus in wurde eine viel besuchte und gesuchte Begegnungsstätte für Künstler, Politiker, Wissenschaftler, in dem neue Ideen für die gesellschaftliche Änderung entstanden.
Das Haus mit all seiner Geschichte kann besucht werden.
Für uns war es bereits die zweite Veranstaltung an diesem Ort und wir haben beim Ausklang wieder einige Details mehr entdeckt, die man im Eifer der freudigen Aufregung manchmal übersieht.
Leiter des Landesdenkmalamtes Dr. Christoph Rauhut nach der Gratulationsrunde mit Dr. Leonie Glabau, © Landesdenkmalamt Berlin, Foto: Anne Herdin
Durch die Organisation von Gesine Sturm vom Landesdenkmalamt und Silke Küsters von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zusammen mit dem historisch orientierten GartenForum Glienicke war dies ein durch und durch gelungener Tag.
Denkmale mal anders
Die Publikation lädt ein, die Gartendenkmale einmal selbst zu besuchen. In voller Blüte lassen sich die Absichten der Architekten erkennen, man bekommt einen guten Einblick in die grüne Stadtentwicklung Berlins. Überlegt man gerade, selber einen Garten anzulegen oder anlegen zu lassen, bietet das Buch vielfältige Ideen für die Umsetezung. Es is für jeden was dabei. Eine Inspirationstour für den Garten für alle Fälle.
Mehr wissen über das Buch